Zwei Gesundheitseinrichtungen, die sich der Betreuung von besonders schutzbedürftigen älteren Menschen widmen, standen vor derselben Herausforderung: Wie können wir unseren Klientinnen und Klienten in einem sich rasant verändernden Gesundheitswesen eine hochwertige Behandlung bieten?
Die Organisationen suchten nach Möglichkeiten, enger zusammenzuarbeiten – zum Beispiel durch den Einsatz von Fachkräften über Organisationsgrenzen hinweg. Bevor diese Zusammenarbeit jedoch konkret gestaltet werden konnte, brauchte es eine gemeinsame Vision. Was verstehen wir unter „guter Behandlung“? Welche Leitprinzipien und gemeinsamen Werte können Fachkräfte beider Organisationen gemeinsam tragen?
Unser Ansatz
Um diese Vision in kurzer Zeit zu entwickeln, entschieden wir uns für einen beschleunigten, partizipativen Ansatz, bei dem eine gemischte Gruppe von Mitarbeitenden aus beiden Organisationen die Grundlage für die gemeinsame Vision erarbeitete.
Der Auftrag, initiiert und unterstützt von den Führungsteams beider Organisationen, lautete: "Entwickeln Sie eine Behandlungsperspektive, die zu den Klientinnen und Klienten sowie den Pflegekräften von heute und morgen passt.“ Der Prozess wurde als Reihe von vier intensiven Arbeitstagen über zwei Monate hinweg gestaltet – mit Phasen dazwischen, um zu reflektieren, Erkenntnisse zu sammeln und Ideen zu verfeinern.
Eine Gruppe von etwa 10–12 Personen – darunter Behandelnde, Pflegekräfte und Qualitätsbeauftragte – traf sich mehrmals in einem „Pressure-Cooker“-Setting, um Fragen wie diese zu bearbeiten:
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Worin unterscheiden sich unsere Arbeitsweisen und wo überschneiden sie sich?
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Worauf sind wir in unserer Behandlungspraxis stolz?
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Was wird die Zukunft von uns als Fachleuten verlangen?
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Welche Prinzipien liegen guter Behandlung zugrunde?
Wir arbeiteten nach den Prinzipien des Appreciative Inquiry: erforschen, was bereits gut funktioniert, was Energie gibt und wie sich diese Stärken weiterentwickeln lassen. Dabei kamen unter anderem folgende Methoden zum Einsatz:
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Talente entdecken: Zu Beginn klären, wer welche Stärken in die Gruppe einbringt.
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Arbeiten mit Personas, die künftige Klientinnen und Klienten repräsentieren (z. B. eine Person mit Demenz oder somatischen Beschwerden, zu Hause lebend oder in einer Einrichtung).
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Zukunftsszenarien entwerfen, um mögliche Entwicklungen zu erkunden.
Auch Kolleginnen und Kollegen außerhalb der Arbeitsgruppe wurden eingebunden – etwa durch „Kaffeepausen“ am Ende jedes Treffens. Diese boten Gelegenheit, Ergebnisse vorzustellen, Feedback einzuholen und Fragen zu beantworten. So entstand ein breit abgestützter Prozess mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung.
Wirkung
Am Ende stand eine gemeinsam getragene Behandlungsperspektive – kein abstraktes Papier, sondern eine Vision, die in praktischen Geschichten verankert ist, den Stolz der Fachkräfte anspricht und klare Orientierung für die Zusammenarbeit der beiden Organisationen gibt.
Einige der immer wiederkehrenden Leitprinzipien sind:
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Eine unterstützende Umgebung, die das Wohlbefinden der Klientinnen und Klienten in den Mittelpunkt stellt
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Behandlung als Beziehungsarbeit
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Zusammenarbeit als Voraussetzung für zukunftsfähige Pflege
Die Vision dient als Grundlage, um künftig Fachkräfte standortübergreifend einzusetzen und andere Kolleginnen und Kollegen zu inspirieren. Der Prozess brachte jedoch noch mehr: Durch die gemeinsame Auseinandersetzung lernten die Beteiligten nicht nur sich selbst und einander besser kennen, sondern auch ihre Organisationen – und knüpften wertvolle Verbindungen.
Erkenntnisse aus dem Prozess – für die Organisationen und für uns:
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Der „Pressure Cooker“ wirkt – Das intensive Setting sorgte für Fokus, Tempo und Tiefe. Die Gruppe wuchs in kurzer Zeit stark zusammen.
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Bilder ergänzen Worte – Visuelle Methoden und ein narrativer Ansatz führten zu einer Vision, die Menschen berührt, im Gedächtnis bleibt und in einer Sprache formuliert ist, die den Arbeitsalltag widerspiegelt.
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Vertrauen und klarer Auftrag – Die Einbindung des Managements schuf eine solide Grundlage und bot Orientierung sowie Klarheit über den Auftrag.
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Der Prozess um den Prozess – Ebenso wichtig wie die Arbeitstage selbst war, was davor und danach geschah: Wer wird wann einbezogen, wie laufen die Kommunikationswege, und wie setzen wir die Ergebnisse um?