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Talente als Motor für einen Changeprozess


Stefan Holzporz ist Geschäftsführer der BM.CULTURA GmbH, einer Tochtergesellschaft der Kreisstadt Bergheim, die zwei Veranstaltungshäuser betreibt: das MEDIO.RHEIN.ERFT und das BÜRGERHAUS.QUADRATH. Dort finden Kultur- und Firmenevents ebenso statt wie private Feiern mit Platz für bis zu 1.000 Personen. Darüber hinaus nimmt die BM.CULTURA den städtischen Kulturauftrag wahr und veranstaltet Kultur- und Unterhaltungsevents.

 

Tina Gadow: Im Sommer 2018 war ich bei Euch, um mit Deinem Team einen Talente-Tag durchzuführen. Alle 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten sich an diesem Tag mit den 39 Talenten vertraut machen und sind miteinander über ihre eigenen und die Talente der anderen ins Gespräch gekommen. Du hast im Anschluss an diesen Tag an unterschiedlicher Stelle den Talenteansatz genutzt, bei Mitarbeitergesprächen ebenso wie im Rahmen eines Umstrukturierungsprozesses in Eurem Unternehmen. 

 

Ich bin neugierig, was genau Du da gemacht hast und wie Du im Rückblick den Einsatz der Talente bewertest.  

 

Zunächst einmal zurück zum Sommer 2018, als es sich bei Euch einen Tag lang nur um Eure Talente drehte. Was war Deine Erkenntnis dieses Tages?

 

Stefan Holzporz: Ich wollte mit dem Talentetag v.a. bei den Mitarbeitern selbst ein Bewußtsein für ihre Stärken auslösen und ihnen dabei helfen, dass sie einerseits ihre eigenen – z.T. verborgenen - Talente entdecken und andererseits den Blick weiten für die Talente der anderen. Darüber hinaus war mir wichtig, dass sie ein Verständnis für die Unterschiedlichkeit entwickeln, die die Belegschaft ausmacht.

 

Ich selbst habe hier und da gestaunt, welche Talente die Mitarbeiter für sich selbst herausgearbeitet haben und habe sie später in der Arbeit mit ihnen bestätigen können – obwohl ich sie bis dahin gar nicht gesehen hatte!  

 

Neben diesem individuellen Augenöffner ist durch die Arbeit mit den Talenten im gesamten Team ein deutlich spürbares Gemeinschaftsgefühl entstanden.

 

TG: Worauf führst Du das zurück?

 

SH: Wir haben an diesem Tag ja viel miteinander kommuniziert und übereinander gesprochen. Ich habe erfahren, dass es Vertrauen schafft, über sich und andere mit dem Fokus auf Talente zu sprechen. Denn Talente sind Teil der eigenen Persönlichkeit, und viele dieser Talente treten im beruflichen Alltag nicht offen zutage. Gerade im Kollegenkreis gibt man nicht ohne weiteres viel von sich preis. Die Gespräche rund um die Talente haben dazu geführt, dass sich alle mehr öffnen. Als dann die eigenen Erkenntnisse in der großen Gruppe vorgestellt wurden, entstand durch diese Transparenz deutlich ein Mannschaftsbewußtsein.

 

Je mehr das passiert, umso mehr Vertrauen schafft das. Und das ist in einem Team, das sich gut kennt und wo die Zusammenarbeit Vertrauen erfordert, sehr hilfreich!

 

TG: Wie ging es nach diesem Tag weiter?

 

SH: Wir haben danach gemerkt, dass unsere Struktur / unser Organigramm nicht optimal ist. Im Herbst starteten wir darum einen Umstrukturierungs- und Change-Prozess. Als wir uns daran machten, die Zuschnitte der Abteilungen und die Verantwortlichkeiten neu zu ordnen, wollten wir nun gleichzeitig darauf achten, dass jeder bei der Aufgabenverteilung die eigenen Talente heranziehen kann.

 

Ein Beispiel: unsere Hausmeister sind für die Veranstaltungsbegleitung, Umbauarbeiten und Lagerhaltung zuständig. Aufgrund der Talentegespräche wurde uns allen bewußt, dass einer der Hausmeister die Talente Vertrauensperson und Erfolgsanzeiger hat. Er kommt mit Kunden total gut zurecht, liebt es, unser Haus zu repräsentieren und ist stark im Kundenkontakt. Ein anderer Hausmeister hat diese Fähigkeiten nicht so stark ausgeprägt. Als To-Do Planer liebt er die Struktur und Dinge abzuarbeiten. Als wir das begriffen, haben wir die Schwerpunkte ihrer Arbeiten entsprechend angepasst.

 

Wir sind dabei nicht immer streng nach den Talentekarten gegangen, sondern haben uns grundsätzlich mit dieser neuen Gedankenwelt auseinandergesetzt. Das hat uns geholfen, umzudenken und z.B. vermeintliche Schwächen als Stärken anzuerkennen. Dass z.B. der Fehlerfuchs etwas ist, was man in vielen Situationen wunderbar als Stärke einsetzen kann, habe ich vorher nie so gesehen…

 

TG: Wie genau hast Du diese neue Denke und Haltung in den Arbeitsalltag eingebunden? Und wie lief das im neuen Organigramm zusammen?

 

SH:Nach dem Talentetag war mir wichtig, noch einmal mit jedem Mitarbeiter einzeln zu sprechen. Ich bat jeden Einzelnen, sich vor unserem Gespräch Gedanken zu den eigenen Talenten zu machen und mir die vorab mitzuteilen. So konnte ich diese Perspektive reflektieren und das in meine Sicht auf den Mitarbeiter entsprechend einbauen. An dieser Stelle haben mir die Talentekarten geholfen.

 

Im Anschluss an diese Mitarbeitergespräche habe ich jedes Team gebeten, seine Aufgaben neu zu sortieren und dabei die Talente zu berücksichtigen. Weil jeder seit dem Talentetag von den Talenten der anderen wußte, ging das sehr gut.

 

TG: War das schon immer so, dass die Teams eigenständig so miteinander arbeiteten?

 

SH: Nein. Vorher haben die Teams diese Verantwortung nicht übernommen. Vielmehr war ich, als ich 2003 Geschäftsführer wurde, bei allem mit dabei und Führungskraft für alle. Dass das nicht klug ist, ist mir irgendwann klar geworden. Darum war ein Schritt in unserem Umwandlungsprozess, dass alle Abteilungsleiter die Feedbackgespräche selber führen, die Neuverteilung der Aufgaben selbst vornehmen, dabei darauf achten, dass alle Beteiligten mitgenommen werden und das Ganze mitentwickeln.

 

Dass das so möglich war, ist ganz klar dem neuen Spirit entsprungen.

 

TG: Wie haben die Mitarbeiter auf diesen Shift reagiert?

 

SH: Auf die Ankündigung der Umstrukturierung eher skeptisch. Wie das eben immer so ist bei Veränderungen. Andererseits waren sie aber auch nicht wirklich zufrieden mit dem Status Quo. Im Zuge einer psychologischen Gefährdungsanalyse, die wir für den Arbeitsschutz durchführen müssen, hatten wir festgestellt, dass viele Mitarbeiter unter der Unklarheit von Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten litten und dies zu Unsicherheit und psychischer Belastung führte.

 

Uns wurde klar, dass der Grund im Organigramm lag: die Schnittstellen mussten klarer werden. Jeder muss wissen, wer für was verantwortlich ist und wer welche Kompetenzen hat.

 

Der geplante Umbau des Organigramms sorgte erstmal für Skepsis und Zurückhaltung im Team. Am meisten war das bei den Technikern zu spüren. Darum fingen wir mit ihnen an, denn in ihrem Team gab es zusätzlich ein Führungsvakuum. Als aber alle anderen Teams sahen, wie sehr jeder einzelne Techniker bereit ist, sich einzubinden und mitzugestalten, und wie stark sich das auf die Arbeitsatmosphäre im Team ausgewirkt hat, hat das die anderen überzeugt und sie sind mitgezogen.

 

TG: Dieser Umstrukturierungsprozess läuft noch bis Ende des Jahres. Was habt Ihr als nächsten Schritt vor?

 

SH: Nächste Woche werden wir alle Aufgaben, die wir haben, neu diskutieren. Dafür schreibt jedes Team alle Aufgaben auf Karteikarten, erläutert sie und hängt sie auf. Alle werden dann rumgehen und Punkte kleben, die besagen: für diese Aufgabe will ich verantwortlich sein oder: da arbeite ich mit. Es wird alles ganz transparent gemacht. Wenn zwei für dieselbe Aufgabe verantwortlich sein wollen, dann werden die beiden ein Gespräch führen müssen. Dabei wird der Blick auf die Talente und Stärken hilfreich sein: für das gegenseitige Verständnis einerseits und für die Entscheidungsbegründung andererseits. Jede Schnittstelle wird auf diese Weise geklärt.

 

TG: Hat Euch der Talenteansatz dabei geholfen, auf diese transparente Art und Weise Gesprächsanlässe zu schaffen?

 

SH: Wir waren immer schon kommunikativ und haben Dinge miteinander ausgehandelt. 

Was neu ist: bei allen Überlegungen unserer Aufgabenerledigung spielen die Stärken der Mitarbeiter eine viel größere Rolle. Statt alles von den Aufgaben abzuleiten, fließen nun Stärken und Talente in alle Überlegungen, die Persönlichkeitsentwicklung betreffend, ein. Das ist eine tolle Entwicklung, das leistet so viel! Veränderung ist oft mit Widerstand verbunden. Wenn man dabei über den Talenteansatz geht ist das, wie den Rhein runterzurudern, also mit der Strömung.

 

Und ich bin mir sicher, dass dieser neu gewonnene Blick auch nicht einschlafen wird. Auch nach Abschluss der Organisationentwicklung wird das weiter bestehen bleiben. Es ist jetzt bei uns eingepflanzt… Ich persönlich finde auch, dass dieser Blick nicht mehr weggehen darf. Warum sollte er auch? Wenn man sich mit den eigenen Stärken beschäftigen kann, macht alles viel mehr Spaß. Bei unserem anstrengenden Job ist das ein toller Zufriedenheitsverstärker!

 

Eigentlich denkt man ja: Talente: ist doch klar, was das ist. Aber das stimmt nicht. Ich bin dankbar, diesen Ansatz kennengelernt und die einzelnen Talente auch bildlich veranschaulicht bekommen zu haben: das hilft, das ist eingängig und bleibt haften. Alles ist sehr intuitiv und darauf angelegt, dass man das selber weiterentwickeln kann. Wie bei uns geschehen.